Wie der Falter in das Licht…
Sergej Larin

Ich habe diese Überschrift* gewählt, weil er so gut die Dynamik und Tragik einer BD-Beziehung mit einem Bild erfasst: Es gibt eine solche Sehnsucht nach „Licht“ – und sobald man ihm nahekommt, die Flügel versenkt oder ganz und gar verbrennt…

Meine Beziehung zu M. dauerte fast 11 Jahre, im 7. Jahr heirateten wir – obwohl oder weil es zwischendurch sehr krisenhaft war. In den ersten 4 Jahren hatten wir überwiegend viele beglückende Momente – sei es im Tanzen, in Gesprächen, im erotischen Erleben, in Meinungen, Geschmack, Phantasien…kaum ein Bereich, in dem es nicht „perfekt“ paßte….Jäh unterbrochen wurden diese guten Phasen durch Eifersuchtsattacken, durch Urlaube, in denen M. den Raucherentzug probte, auch durch Momente, in denen ich das Gefühl von sehr dünnem Eis – anstatt einem festen Beziehungsboden hatte…Als M. 2018 mit dem Rauchentzug ernst machte – was ich sehr bewundernswert fand…begann jedoch eine Spirale nach unten, die immer bedrohlicher wurde.

Die wichtigsten Kennzeichen dieser Spirale waren heftige Stimmungseinbrüche, nach denen sie tatsächlich alles „vergaß“ was am Tag vorher besprochen war, was geschehen war, was gut war, welche gemeinsame Verabredungen nach vielen Mühen gelungen war…NICHTS galt mehr. Hingegen suchte (und fand) sie in allen vorstellbaren und unvorstellbaren Kleinigkeiten Gründe, mich mit Verdächtigungen, Vorwürfen, Unterstellungen und Abwertungen zu überschütten, die insgesamt EINE klare Struktur hatten: Sie waren austauschbar, es gab von vornherein keinen Weg es richtig zu machen, ich war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ein weiteres, in der destruktiven Wirkung auf einen Partner kaum zu überschätzendes Merkmal war ihre partielle „Amnesie“: Was nicht in ihre (schlechte) Stimmung – ihr (schlechtes) Bild – paßte, wurde einfach „vergessen“ geleugnet, verdreht oder etwas Neues (Negatives) wurde erfunden. So hatte ich wegen einer Kündigung 2016 nach einer neuen Wohnung gesucht – und auf Grund vieler Gespräche, in denen sie so sehr ihren Wunsch nach gemeinsamem Leben betonte – eine relativ große Wohnung gefunden und sie gefragt, ob sie miteinziehen wolle. Was sie etwas zögerlich bejahte, da es eine konkrete Möglichkeit war, unserem Leben eine gemeinsame Form zu geben. Nach ugf. zwei Monaten fand sie jedoch an der Wohnung nur noch Schlechtes, sie war nicht gut geschnitten, lag nicht am Stadtrand, u.v.a.m. Nach einem halben Jahr leugnete sie (in der Therapie), jemals zu der Wohnung ja gesagt zu haben- wiederholte aber ständig den Vorwurf, „ich wolle nicht mit ihr zusammen leben…“…

Auch daß ich mich mit Literatur zum Thema „BD und Beziehung“ beschäftigte, war falsch, da ich mir „anmaßte“ in die Therapeutenrolle zu gehen. Dieser Vorwurf war, wie ich bald einsah, auch zum Teil berechtigt, doch wenn ich ihr Verhalten „rein menschlich“ hätte beurteilen/verstehen sollen, hätte ich sofort die Beziehung beenden müssen. Das wollte ich nicht - in der Hoffnung, dass sie doch irgendwann einsieht, dass sie therapeutische Hilfe braucht und lernen muss, sich zu regulieren.

In kleinen Schritten sah M. das auch ein, nahm auch Hilfe an – und wir hatten mit einem Mal wieder „Aufwärtsphasen“, in denen es schien, dass meine Hoffnung berechtigt war. Bis zum nächsten Stimmungseinbruch, der zumeist mit  krisenhaften Ereignissen in ihrer Familie oder ihrem Beruf verbunden war.

Ich selbst geriet zunehmend in einen dauerhaft alarmierten Hochspannungszustand, in dem ich unentwegt versuchte, „ja nichts falsch“ zu machen, ihr ja keinen Grund für neue Vorwürfe und unglaubliche Unterstellungen zu geben. Gleichzeitig schwankte ich zwischen extremer Erschöpfung und immer wieder neu aufkeimender Beschwichtigung: So schlimm ist es ja nicht, Beziehung ist eben Arbeit, wenn jetzt jeder für sich so tapfer an sich arbeitet, wird das ja schon u.a.  Ich hatte mich und meine Bedürfnisse schon lange aus dem Blick verloren, meine Gedanken kreisten eigentlich nur noch darum, wie ich neuen Stimmungseinbrüchen begegnen würde können, wie ich durch noch mehr eigenen Einsatz einen Raum schaffen könnte, in dem sie sich sicher fühlt. Doch JEDER Einsatz war zu wenig, JEDE Form von Zusage/Versprechen/Engagement wurde (stimmungsabhängig) im NU zunichte gemacht – und JEDER Grundlage beraubt. 

Im letzten Zwiegespräch – nach über drei Jahren gemeinsamer Therapie – gab M. mir den letzten und unmissverständlichen Anstoß zur Trennung durch ein Bild ihrer selbst, das klarer nicht hätte sein können: „Ich bin eben ab und zu ein Vulkan, der Lava speit – damit musst Du umgehen lernen.“ Und ein wenig später: „Wenn Du ein richtiger Mann wärst, würdest Du meine Wutausbrüche begrenzen und gelassen nehmen, Dich in Dir verankern, so wie der Mann meiner Freundin P. „Und danach: „Ich möchte endlich einen Mann, der mit seinen Gefühlen im Kontakt ist – und wenn Du Dich jetzt trennst von mir, wirst Du nie mehr mit Deinen Gefühlen in Kontakt kommen…“

Nach diesen Aussagen wurde ich mit einem Mal sehr ruhig und klar…Ein wenig später sah ich mir einige Videos über aktive Vulkane an, sah, wie die 500-1200 Grad heißen Lavaströme ALLES niederwalzen, was ihnen im Weg steht, begriff, dass diese Ströme NICHTS und NIEMAND aufhalten kann. Ich sah wie im Rückspiegel die vielen Jahren verzweifelten Kampfes gegen diese Ströme – und die ganze Aussichtslosigkeit dieses Kampfes….

Auch wurde mir klar, dass man mit Vulkanen nicht verhandeln kann – sie befinden sich in einer anderen Dimension, die sich jeder menschlichen Regulierung entzieht…

Nachbemerkung

In diesen letzten Jahren hatte ich immer wieder Beratungsgespräche bei Suzana Pavic, die mir  vor allem deswegen geholfen haben, da sie es vermochte, mir beide Erlebensperspektiven (des BD und des BD-Partners) verständlich zu machen – mir durch ihre Hilfe auch klar wurde, wie sehr auch meine „Muster“ diese krankmachende Dynamik verstärken. Durch die Unterstützung von Frau Pavic kann ich mittlerweile sagen, dass diese Geschichte ein gute wird – und mich in vieler Hinsicht stärker und selbstbewusster „entlässt“…

*Diese Überschrift ist dem gleichnamigen Buchtitel von M. Rösel entnommen